Papier ist zugleich robust und empfindlich: Es übersteht Jahrzehnte, reagiert aber sofort auf Wasser, Licht, Wärme und falsche Handhabung. Dieser Leitfaden bündelt praxisnahe Schritte für die Papierverarbeitung bei Schäden – von der ersten Einschätzung bis zu Trocknung, Glättung und konservatorischen Maßnahmen. Ziel ist es, zügig, sicher und materialgerecht zu handeln, um Substanzverlust, Verformungen und Schimmelbildung zu vermeiden und die langfristige Nutzbarkeit zu sichern.
Ursachen von Schäden und Ersteinschätzung
Schäden an Papier entstehen meist durch Feuchtigkeit, Licht, mechanische Belastung und ungeeignete Lagerbedingungen. Wasser führt zu Wellen, Ausblutungen von Medien, Verklebungen und Schimmel; UV-Licht bewirkt Vergilbung und Festigkeitsverlust; saure Materialien lassen Papier verspröden. Auch Schädlinge, Staub, Ruß und falsche Handhabung (Klammern, Klebebänder, knappe Umschläge) tragen zu Einrissen, Abrieb und Oberflächenverschmutzung bei.
Die Ersteinschätzung beginnt mit einer ruhigen Bestandsaufnahme: Welche Schadarten liegen vor (feucht, verschimmelt, gerissen, verzogen, verschmutzt)? Welche Tinten, Farben oder Tonerschichten sind wasser- oder lösungsmittelsensibel? Dokumentieren Sie den Zustand mit Fotos, notieren Sie Maße, Besonderheiten und Prioritäten. Trennen Sie betroffene Stücke behutsam, ohne Gewalt; verklebte Blätter niemals auseinanderreißen, sondern später kontrolliert anfeuchten oder fachlich behandeln lassen.
Sicherheit geht vor: Bei muffigem Geruch, sichtbarem Schimmelrasen oder starkem Staub tragen Sie mindestens Handschuhe und eine geeignete Atemmaske (FFP2/FFP3) und arbeiten in gut belüftetem Bereich. Wertvolle, stark verschimmelte, beschichtete oder extrem brüchige Papiere gehören in die Hände einer Restauratorin oder eines Restaurators. Bei Tinten, die zu Ausblutungen neigen (Eisen-Gallus, Aquarell, Filzstift), ist besondere Zurückhaltung geboten; notfalls stabilisieren, kühl lagern oder einfrieren, bis professionelle Hilfe verfügbar ist.
Trocknung, Glättung und Konservierungsschritte
Nasse bis feuchte Papiere werden vorzugsweise luftgetrocknet: Blätter auf saubere, glatte Siebe oder Gitter legen, mit saugfähigem, unbedrucktem Papier (Lösch- oder Küchenpapier ohne Prägung) unterlegen und regelmäßig wechseln. Vermeiden Sie Hitzequellen, direkte Sonne und Föhne – sie verursachen Verzug, Spannungen und Medienausblutungen. Bei größeren Mengen oder stark durchnässten Beständen kann das Zwischenlagern im Gefrierfach (–18 °C) Schimmelwachstum stoppen, bis eine Gefriertrocknung (Vakuum-Gefriertrocknung) organisiert ist.
Nach der Trocknung folgt die Glättung. Leicht gewellte Blätter lassen sich zwischen Löschpapier und Filz unter moderatem Druck über mehrere Tage planpressen; das Löschpapier regelmäßig tauschen. Stärker verzogene Papiere werden in einer kontrollierten Feuchteumgebung (Befeuchtungsmappe/Feuchtepaket mit Gore-Tex oder inertem Vlies) schonend angefeuchtet und anschließend plan gepresst. Vor jeder Feuchteapplikation prüfen: Sind Medien wasserempfindlich? Ein vorsichtiger Randtest mit leicht angefeuchtetem Wattestäbchen zeigt, ob Pigmente wandern – im Zweifel trocken glätten oder Fachbetrieb einschalten.
Konservierung umfasst Reinigung, Stabilisierung und geeignete Verpackung. Trockene Oberflächenverschmutzung entfernt man mit weichen Pinseln, Rauchschwamm/Schmutzradierer (chemisch neutral) und minimalem Druck; brüchige Kanten bleiben unangetastet. Risse werden mit Japanpapier und Weizenstärkekleister ausgerichtet und hinterlegt; druckempfindliche oder heikle Medien profitieren von nicht wässrigen Klebstoffsystemen nach restauratorischer Beratung. Abschließend in alterungsbeständigen Umschlägen und Mappen (pH-neutral, ligninfrei) lagern, optional in Polyesterkapseln, und ein stabiles Klima anstreben (ca. 18–22 °C, 40–55 % rF, geringe Schwankungen). Jede Maßnahme schriftlich dokumentieren, damit zukünftige Behandlungen nachvollziehbar bleiben.
Sorgfalt, Geduld und Kontrolle über Klima und Materialien sind die besten Verbündeten bei der Papierverarbeitung nach Schäden. Eine strukturierte Ersteinschätzung, schonende Trocknung und planvolle Glättung schaffen die Basis, konservatorische Eingriffe sichern die langfristige Stabilität. Wo Unsicherheiten bestehen oder hohe Werte auf dem Spiel stehen, ist die frühzeitige Zusammenarbeit mit der Restaurierung der nachhaltigste Weg.