Wenn Papier durch Wasser, Schimmel, Feuer oder mechanische Einwirkung geschädigt ist, entscheidet das richtige Vorgehen in den ersten Stunden über den langfristigen Erhalt. Dieser praxisnahe Leitfaden zur Papierverarbeitung bei Schäden hilft Archiven, Bibliotheken, Büros und Privathaushalten, rasch und sicher zu handeln. Im Fokus stehen die systematische Schadensanalyse, die Stabilisierung, effektive Trocknungs- und Reinigungsmethoden sowie die sichere Weiterverarbeitung bis zur dauerhaften Aufbewahrung.

Schadensanalyse und Stabilisierung von Papier

Am Anfang steht die Triage: Welche Schäden liegen vor (Nässe, Schimmelverdacht, Risse, Verschmutzung, Rauch, Hitzeverformung)? Was ist akut gefährdet und muss zuerst behandelt werden? Dokumentieren Sie den Zustand mit kurzen Notizen und Fotos, arbeiten Sie sauber und mit persönlicher Schutzausrüstung (z. B. Nitrilhandschuhe; bei Schimmel FFP2/FFP3-Maske), und trennen Sie kontaminierte von sauberen Beständen, um Kreuzkontamination zu vermeiden. Je klarer die Erstbewertung, desto zielgerichteter und materialschonender wird die folgende Papierverarbeitung bei Schäden.

Prüfen Sie Material und Medien: Papiersorte (Holzhaltig, Hadernhaltig), Oberflächenleimung, Beschichtungen, Bindungen, Klebstoffe und vor allem die Schreib- und Druckmedien (eisenhaltige Tinten, Aquarell, Anilinfarbstoffe, Laserdruck, Inkjet). Führen Sie, wenn möglich, unauffällige Löse- und Wischtests an Randbereichen durch, um Wasserempfindlichkeit festzustellen. Notieren Sie pH-Werte, Deformationen (Wellen, Schrumpfung), Brüchigkeit und Rissverläufe; minimieren Sie Bewegungen und stützen Sie Blätter bei jedem Transport mit stabilen Unterlagen.

Stabilisieren Sie unmittelbar: Nasse Einzelblätter flach und plan auflegen, mit saugfähigem, säurefreiem Zwischenlegpapier interleieren und leicht beschweren; feuchte Bücher aufrecht stellen und vorsichtig auffächern. Kühlen oder frosten Sie stark durchnässte Mengen, um Schimmelwachstum zu stoppen, bis eine fachgerechte Trocknung möglich ist. Halten Sie Klima so stabil wie möglich (circa 18–22 °C, 45–55 % rF), vermeiden Sie Hitzequellen und direkte Sonne und lagern Sie fragiles Material in neutralen Mappen oder Umschlägen, bis die eigentliche Bearbeitung beginnt.

Trocknung, Reinigung und sichere Weiterverarbeitung

Für das Trocknen gilt: so schnell wie nötig, so schonend wie möglich. Lufttrocknung mit guter, aber zugfreier Ventilation ist die erste Wahl; wechseln Sie saugfähige Zwischenlagen regelmäßig, bis keine Feuchte mehr austritt. Bücher werden auf die Schnittkante gestellt, Seiten vorsichtig aufgefächert; bei großen Schadensmengen oder stark durchnässtem Material ist Gefriertrocknung eine bewährte Option. Vermeiden Sie Föhn, Heizlüfter, Radiatornähe und direkte Sonne; nach 24–48 Stunden Feuchte steigt das Schimmelrisiko deutlich.

Reinigen Sie stets trocken, bevor Sie Feuchte einsetzen: lose Partikel mit weichen Pinseln vom Blatt wegführen, Oberflächenstaub und Ruß mit vulkanisierten Reinigungsschwämmen (“Rauchschwamm”) oder feinen, PVC- und weichmacherfreien Trockenreinigern abnehmen; ein HEPA-Sauger mit Schutzsieb über dem Blatt kann sicher Partikel erfassen. Testen Sie Medienempfindlichkeit vor jedem Schritt. Feuchtreinigung nur selektiv und nach Probe: deionisiertes Wasser, ggf. mit Alkoholzusatz zur Oberflächenspannungsreduktion, punktuell und kontrolliert; nie über lösliche Tinten wischen. Schimmel nicht trocken abreiben, sondern nach vollständiger Trocknung unter Absaugung und mit Atemschutz sichern; eine chemische Deaktivierung oder Entsäuerung gehört in fachkundige Hände.

Für die Weiterverarbeitung stehen reversible, alterungsbeständige Methoden im Vordergrund. Risse werden mit dünnem Japanpapier und frisch angesetzter Weizenstärkekleisterung geschlossen; Kanten exakt ausrichten, in Planlage mit silikonisiertem Trennpapier und leichtem Gewicht trocknen. Verzichten Sie auf Selbstklebebänder und Laminieren; stattdessen ist eine kapselnde Aufbewahrung in Polyesterhüllen (ohne thermisches Laminat) sinnvoll, wenn keine Klebung erfolgen soll. Abschließend sorgen säurefreie Mappen und Schachteln, passende Formate, Distanzhalter sowie eine eventuelle Digitalisierung für sichere Nutzung und Lagerung; bei wertvollen oder komplex geschädigten Stücken empfiehlt sich die Übergabe an eine Restaurierungsfachperson.

Papierverarbeitung bei Schäden verlangt schnelles, überlegtes Handeln und materialgerechte Entscheidungen. Wer sauber triagiert, früh stabilisiert und bei Trocknung, Reinigung und Reparatur auf reversible, archivtaugliche Verfahren setzt, verhindert Folgeschäden und erhält die Nutzung. Bei Unsicherheit und bedeutsamen Objekten gilt: kurz sichern, Risiken minimieren – und rechtzeitig fachliche Unterstützung hinzuziehen.

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